Eine Studie im Rahmen des „Langzeitmonitorings Lokaljournalismus“, ein Kooperationsprojekt des Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und dem Europäischen Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF), untersucht das Sicherheitsempfinden und die Bedrohungserfahrungen von Lokaljournalist:innen in Sachsen und Thüringen.
Die jüngsten Wahlergebnisse im vergangenen und diesem Jahr haben die (kommunal)politische Landschaft weiter zugunsten der extremen Rechten verschoben. Dadurch stehen Lokaljournalist:innen, besonders aber nicht ausschließlich in den ostdeutschen Bundesländern, immer mehr Mandats- und Funktionsträger:innen gegenüber, für die Medienfeindlichkeit ein zentraler Bestandteil ihrer politischen Strategie ist. Die hohe Zustimmung zur extremen Rechten zeigt zudem, dass erhebliche Teile der Bevölkerung im Berichtsgebiet vieler Lokaljournalist:innen autoritäre Einstellungen befürworten oder zumindest tolerieren. Neben der institutionalisierten extremen Rechten tragen auch außerparlamentarische extrem rechte und verschwörungsideologische Akteur:innen zur Bedrohungssituation bei. Besonders im Kontext von Versammlungen und Veranstaltungen stellen sie eine Gefahr für Medienschaffende dar – aber auch private Bedrohungen und Einschüchterungen sind keine Seltenheit.
„Unsere Untersuchungen und zahlreiche Gespräche mit Lokaljournalist:innen zeigen, dass sich die Arbeitsbedingungen im Lokalen in den letzten Jahren verschlechtert haben. Von PEGIDA und ihren Ablegern über die Corona-Pandemie bis hin zur fortschreitenden Radikalisierung der AfD – Journalist:innen stehen generell zunehmend unter Druck. Viele von ihnen sind täglich mit medienfeindlichen Akteur:innen konfrontiert. Besonders herausfordernd ist dann speziell für Lokaljournalist:innen die Nähe zu diesen Akteur:innen, die sich nicht nur auf das berufliche Umfeld beschränkt, sondern auch ins Private reicht. Lokaljournalist:innen leben häufig in den Gemeinschaften, über die sie berichten. Eine klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben ist dann kaum möglich – und genau das macht sie besonders vulnerabel“, erläutert Patrick Peltz, der Autor der Studie.
Auf Basis qualitativer Daten beleuchtet die explorative Studie konkrete Bedrohungserfahrungen und analysiert, wie sich eine latente oder direkte Gefährdungslage auf das Sicherheitsempfinden sowie die journalistische Berichterstattung auswirkt. Während viele Lokaljournalist:innen eine hohe Resilienz zeigen, lassen sich in einigen Fällen Auswirkungen auf ihre Arbeit feststellen. Diese Einschränkungen sind auf persönliche Bedrohungserfahrungen oder miterlebte Vorfälle bei Kolleg:innen zurückzuführen.
Darüber hinaus spielen auch strukturelle Faktoren eine Rolle: Personalmangel und hohe Arbeitsbelastung erschweren eine tiefgehende und Auseinandersetzung mit der extremen Rechten auf lokaler Ebene, die zunehmend für viele Lokaljournalist:innen zum Alltag gehört. Konfliktträchtige Recherchen und Veröffentlichungen bringen oft einen erheblichen Mehraufwand mit sich – sei es durch juristische Auseinandersetzungen, Beschwerdewellen oder gezielte Einschüchterungsversuche. Die Kombination aus diesen Faktoren führt dazu, dass Lokaljournalist:innen teilweise bestimmte Themen weniger intensiv oder gar nicht aufgreifen.
Die Berichterstattung über extrem rechte Akteur:innen, insbesondere solche, die eine breite Zustimmung in der lokalen Bevölkerung erfahren, wie die AfD, kann enorm aufwändig sein. Mit der Veröffentlichung eines Artikels ist es nicht getan: Häufig folgen Beleidigungen, massive Beschwerden oder gezielte Einschüchterungsversuche. Journalist:innen geraten ins Visier, was nicht nur psychisch belastend ist, sondern auch zusätzliche Arbeit bedeutet. Es ist daher problematisch, aber auch absolut nachvollziehbar, wenn Lokaljournalist:innen bereits beim Schreiben mögliche Konsequenzen mitdenken – oder sich in manchen Fällen ganz gegen eine Berichterstattung entscheiden“, erläutert Patrick Peltz.
Gleichzeitig zeigen die qualitativen Daten, dass Arbeitgeber und Sicherheitsbehörden auf die gestiegene Bedrohungslage reagiert und Schutzmaßnahmen eingeführt haben. Die befragten Lokaljournalist:innen berichteten von einer hohen Sensibilität der Redaktionsleitungen. Diese Wissen um die gestiegene Bedrohungslage und den Arbeitsaufwand ihrer Mitarbeiter:innen und versuchen diese mit verschiedenen Maßnahmen zu unterstützen.
„Die Sensibilität und die zu beobachtenden Lerneffekte in den Medienhäusern der Befragten sind die positiven Befunde der Studie. Die Befragten haben einen sehr offenen Umgang mit der Thematik in ihren Häusern geschildert und wussten über die Unterstützungsangebote Bescheid. Auch innerhalb der Kolleg:innenschaft gibt es einen regen Austausch und gegenseitige Unterstützung, die viele Lokaljournalist:innen sehr positiv hervorgehoben haben“, erklärt Patrick Peltz.
Angesichts der politischen Entwicklungen, die das ECPMF seit einigen Jahren nicht nur auf europäischer Ebene beobachtet, ist zum einen leider zu erwarten, dass nicht nur Lokaljournalist:innen in Sachsen und Thüringen diese Erfahrungen machen und auch weiterhin zukünftig machen werden. Zum anderen erscheint es plausibel, dass sich die Situation weiter verschärfen wird. Eine weitere Befassung mit dem Thema, mehr Aufmerksamkeit für die Situation von Lokaljournalist:innen sowie weitere Unterstützungsangebote sind wichtiger denn je. Dazu Andreas Lamm, Geschäftsführer des ECPMF: