Zentrale Ergebnisse der Studie
83 gewaltsame Angriffe registrierte das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) für das Jahr 2021. Damit wurde der Negativrekord des Jahres 2020 nochmals um 14 verifizierte Fälle übertroffen. Die Sicherheitslage für Journalist:innen blieb damit auch im zweiten Pandemiejahr stark angespannt. Die Zunahme an Tätlichkeiten gegen Medienschaffende lässt sich – wie bereits im Vorjahr – zum größten Teil auf die Demonstrationen der Corona-Maßnahmen-Gegner zurückführen: 75 Prozent aller Angriffe ereigneten sich im Umfeld dieser Proteste.
Durch die heterogene Zusammensetzung der Teilnehmenden an diesen Demonstrationen kann nur ein Teil der Angriffe klar bestimmten politischen Lagern zugeordnet werden: 39 Prozent lassen sich dem rechten politischen Spektrum zuordnen, ein Prozent dem linken, bei 60 Prozent war keine eindeutige Zuschreibung zum politischen Hintergrund des Übergriffs möglich.
„Querdenken & Co wirken wie Brandbeschleuniger. Sie entzünden den unter der Oberfläche lodernden Hass ihrer Anhänger aufs System. Ihre Wutreden, Videos und Posts festigen ihre Ablehnung der Presse, die sich bei einigen in Form von Gewalt gegen Medienschaffende entlädt“,
sagt Co-Autor Martin Hoffmann.
Besorgniserregend ist neben dem erneuten Anstieg der registrierten Fälle auch die zunehmende Ausbreitung der Gewalt in die westdeutschen Bundesländer: 2020 wurden 52 Prozent der Angriffe dort registriert, 2021 schon 61 Prozent (jeweils ohne Berlin). Diese geografische Ausdehnung geht einher mit der Zunahme von politischen Protesten gegen die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung. Sachsen ist mit 23 Fällen das meistbetroffene Bundesland, wie in nahezu allen Jahren seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015.
Ab dem letzten Quartal 2021 ist zudem ein wachsender Anteil von Lokaljournalist:innen betroffen. Dies könnte mit einer Zunahme von nicht-registrierten Protesten im ländlichen Raum zusammenhängen.
„Ab dem Winter 21/22 verlagerte sich die Proteste zunehmend ins Regionale – und damit auch die pressefeindlichen Übergriffe. Für betroffene Medienschaffende, die vor Ort verwurzelt sind, ist das nicht nur eine berufliche Belastung, sondern eine ihres Alltags.“
sagt die Co-Autorin der Studie, Roberta Knoll. Das hat sichtbare Folgen für die Berichterstattung vor Ort: Medienschaffende ziehen sich von der Berichterstattung von den Protesten zurück.
Die Entwicklung in den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 zeigte zunächst keine Anzeichen für eine Besserung der Arbeitssituation von Medienschaffenden. Bis zum 1. März wurden bereits 22 Fälle pressefeindlicher Gewalt registriert, sechsmal waren Lokaljournalist:innen betroffen.
„Die Feinbild-Studie hat gezeigt, dass die Pressefeindlichkeit in Deutschland weiter eskaliert – und dass insbesondere Lokaljournalistinnen und -journalisten unter Druck sind. Sie können nicht ausweichen, sie können nicht abtauchen, sie müssen mit den Menschen leben, von denen sie bepöbelt und bedroht werden. Was wir brauchen ist: mehr Schutz für Medienschaffende, eine konsequentere Ahndung von Straftaten und mehr Medienkompetenzkunde”,
sagt Lutz Kinkel, Geschäftsführer des ECPMF.
Vom 1.01.2015 bis zum 1. März 2022 hat das ECPMF bereits 287 Tätlichkeiten gegen Medienschaffende erfasst. Als Tätlichkeiten gewertet werden etwa Schläge, Tritte, Stoßen und Spucken sowie der Angriff mit Waffen. Das ECPMF ist eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Leipzig, die sich europaweit für die Pressefreiheit einsetzt.